Als ich vor gut einem Jahr mit Sack und Pack am Flughafen
stand und den ersten Schritt wagte, wurde mir doch sehr mulmig zumute. Vor ein
paar Wochen wirkte der Abschied von Zuhause noch so irreal und weit weg, doch
jetzt musste ich meinen Weg ganz alleine gehen. Nach tränenreichem Abschied
begann ich mit meinem 18 Stunden langen Flug einen neuen, und wie ich bald
merkte, wichtigen Lebensabschnitt. Mein Flieger ging in Richtung Südamerika und
landete schließlich im kleinen Uruguay, an der Grenze zu Argentinien und
Brasilien. Ich hatte mich zuvor bei den Freunden der Erziehungskunst Rudolf
Steiners für ein Freiwilliges Jahr im Ausland beworben. So bin ich auf das
„Colegio Rudolf Steiner“ in Uruguay gestoßen. Es handelte sich dabei um eine
kleine Einrichtung mit zwei Grundschulklassen, zwei Kindergartengruppen und
einer Kinderkrippe.
Kaputt und
müde von den Strapazen des langen Fluges, schmuggelte ich mich schließlich
durch die Sicherheitskontrollen des uruguayischen Flughafens. Da stand schon mein
kleines Empfangskomitee, bestehend aus zwei Lehrerinnen der Schule. Sofort
wurde ich von fröhlichem Geplapper begrüßt, welches mir sehr spanisch vorkam.
Circa eine Stunde warteten wir gemeinsam auf den Flieger meiner
Mitfreiwilligen. Verzweifelt bemühten sich die Beiden ein Gespräch aufrecht zu
erhalten, doch ich war viel zu müde, um mich auf das uruguayische Spanisch
konzentrieren zu können. So war ich heilfroh, meine Mitfreiwillige wiederzusehen
um endlich verstanden zu werden.
Für das erste halbe Jahr wohnten wir zusammen bei einer der
beiden Lehrerinnen, in einem kleinen Zimmer, denn die Einrichtung hatte noch
keine Unterkünfte gefunden. Unser Mitfreiwilliger wohnte in einem kleinen
Zimmer in der Schule.
Für mich lag hier schon einmal die erste Herausforderung. Da ich von der
Welt bisher noch kaum etwas zu Gesicht bekommen hatte, kannte ich auch die
Umstände und Lebensverhältnisse in solch einem Land nicht. Natürlich erfährt
man durch Medien tagtäglich, wie es in anderen Ländern aussieht, doch es ist
etwas ganz anderes dies hautnah mitzuerleben. Mit meinem behüteten, sauberen,
warmen und trockenen Heim Zuhause konnte ich meine neue Unterkunft keinesfalls
vergleichen. Aber auch das wollte ich kennenlernen, um noch mehr wertschätzen
zu können, wie gut es mir bisher ging.
Bei einem Begrüßungsasado mit unserer „Betreuerin“, also derjenigen
Person die das ganze Jahr über Ansprechpartnerin und Koordinatorin für uns war,
wurden wir bereits wortwörtlich auf Herz und Niere geprüft. So musste dann auch
einmal ein gefüllter Darm probiert werden. Auch wenn vielleicht nicht immer
nachvollzogen werden konnte, so haben die Uruguayer doch akzeptiert, wenn man
Vegetarier war oder das Fleisch einfach nicht mochte.
Ein paar Tage später wurde uns
dann endlich das Colegio vorgestellt. Die Kinder und Lehrer erwarteten uns
schon neugierig. Da es bei der Verständigung noch haperte, konnten wir die
ersten Wochen meist nur mitlaufen und alles kennenlernen. Nach und nach haben wir
dann alle unsere Aufgaben gefunden.
Ein ganz normaler Arbeitstag sah im ersten halben Jahr so
aus: Jeden Morgen fuhr ich mit einem geliehenen Fahrrad bergauf und bergab, bei
rasendem Verkehr zur Schule. Mit einem Gesicht, welches besonders im Sommer eher
einer Tomate ähnelte, trat ich durch das hölzerne Tor.
Dort erwarteten mich schon freudestrahlend, vielleicht war
es aber auch eher Belustigung, die ersten Kinder. Die
Lehrer und Erzieher trafen sich, bevor der Tag begann, immer zu einer kleinen
Morgenrunde im salón grande (großer Saal). In der Zwischenzeit durfte ich auf
all die Kinder aufpassen, deren Eltern früh zur Arbeit gingen. Gerade im Winter
habe ich mir einiges an Beschäftigung überlegen müssen, denn da konnten wir uns
morgens nur in der geheizten cabaña (Hütte) aufhalten. Anschließend sind wir
zusammen im Gänsemarsch zu den einzelnen Räumen gegangen, haben die
Straßenschuhe aus und die Pantoffeln angezogen. War jedes Kind an Ort und
Stelle, half ich je nach Wochentag vormittags im maternal (der Kinderkrippe),
erledigte Einkäufe oder beschäftigte mich mit Instandarbeiten. Nach meiner
Mittagspause kümmerte ich mich mit einer Erzieherin um die Kindergartenkinder,
die auch den Nachmittag noch da blieben. So wurde gegessen, geschlafen oder
geruht und vor allem ganz viel gespielt. Oft wusch ich in freien Minuten das
benutzte Geschirr. Wenn ich nicht gerade einen Streit schlichten musste, mit
den Kindern spielte oder aufräumte, setzte ich mich gerne mit der Erzieherin
zusammen. Gemeinsam nahmen wir uns dann Handarbeiten vor und konnten uns dabei gut unterhalten.
Das kann einerseits nicht schlecht, doch bei dringenden Angelegenheiten
auch sehr nervig sein.
Als ich wieder einigermaßen fit war begannen schon die
langen Sommerferien. Ganz überraschend mussten meine Mitfreiwillige und ich uns
noch vorher eine neue Bleibe suchen. Die Lehrerin, welche uns bei sich wohnen
ließ, hatte mit der Einrichtung schon im Voraus besprochen ihr Zimmer nur als
Notlösung anzubieten. Auch hier zeigte sich mal wieder die uruguayische
Mentalität. Zuerst waren alle ganz überrascht von dieser „Neuigkeit“ zu hören,
doch es werde sich schon etwas finden.
Da ich jedoch mit meinem Fuß nicht in irgendeinem Klassenzimmer schlafen
wollte, so wie es meine Mitfreiwillige übergangsweise tat, fand ich schließlich
per Aushang an der Pinnwand eine Gastfamilie. Hier zeigt sich die andere Seite
der Uruguayer. Spontan, flexibel und sehr hilfsbereit. So zog ich kurzerhand
mit all meinem Gerümpel in das nette, kleine Reihenhaus zu der vierköpfigen
Familie.
Im Wissen gut und sicher aufgehoben zu sein, ging es für
mich auch schon nach Buenos Aires. Dort fand zunächst das Zwischenseminar der „Freunde“
statt. Anschließend begab ich mich alleine und auf eigene Faust auf eine kleine
Reise innerhalb Argentiniens. Mehr schlecht als recht besichtigte ich humpelnd erst
Córdoba, dann das wunderschöne Bariloche. Zum Schluss machte ich noch einen
Abstecher auf die Choza, der Farm nahe Buenos Aires. Glücklich und zufrieden
wieder einmal in Gesellschaft zu sein, kehrte ich nach Uruguay zurück.
Eine Woche später begannen bereits die ersten Arbeiten in
der Schule. Da die anderen beiden Freiwillen von ihrer Reise noch nicht wieder
zurück waren und die Lehrer erst später kamen, kümmerte ich mich zunächst alleine
um die Vorbereitungen für den Schulanfang. So musste der Garten gejätet, die
Mauer gekalkt, Möbel geschmirgelt und gestrichen werden. Zusammen mit den
anderen beiden erledigte ich auch Renovierungsarbeiten. Da die Luftfeuchtigkeit
sehr hoch in diesem Land ist, sind die ganzen Wände feucht geworden.
Mit Spachtel und Hammer mussten wir also den feuchten Putz
von den Wänden klopfen. Nachdem alles wieder verputzt war halfen wir beim
Streichen und Bemalen der einzelnen Räume.
Vieles änderte sich in dem Colegio. Leider musste die
Kinderkrippe geschlossen werden. Dafür kamen jedoch zwei Schulklassen hinzu und
auch die beiden Kindergartengruppen gewannen an neuen Schützlingen. So kamen
auch in meinem letzten halben Jahr andere Aufgaben auf mich zu.
Mittags
kümmerte ich mich von nun an um das Erwärmen der mitgebrachten Speisen und nach
der Pause begleitete ich wie gewohnt die Nachmittagsbetreuung im
Kindergarten.
Für die
letzte Zeit überlegte ich mir auch noch ein kleines Projekt. Auf dem Schulgelände
entdeckten wir einen schönen Steinofen, unbenutzt und in Vergessenheit geraten.
Da kam mir die Idee für die große Pause in der Schule zu backen. Bisher wurde
von den Kindern immer abwechselnd etwas zu Essen mitgebracht. Oft bestand
dieses aber aus dem typischen Weißbrot oder Baguette mit Marmelade. Viel
schöner wäre doch, die Kinder würden miterleben wie aus Getreide Mehl wird und
schließlich aus dem Mehl Brot. Nach einer Probebackwoche, wurde meine Idee
begeistert angenommen. Zusammen mit meiner Mitfreiwilligen versorgten wir also
zwei Klassen dreimal die Woche mit selbstgebackenem Brot. Zum Abschied am Ende
meines Jahres, backten die Kinder mir Brötchen und formten einen deutschen
Satz: Wir haben dich gern.
Und so neigte sich mein Jahr in Uruguay dem Ende zu. So
schwierig wie das Ankommen für mich war, so schwierig war auch der Abschied. Da
meine Eltern die letzten Wochen noch zu
Besuch kamen und mit mir zusammen in Argentinien reisten, wurde ich schon etwas
auf die deutsche Kultur vorbereitet. Wieder in Deutschland angekommen, viel mir
die Eingewöhnung wider Erwartens doch sehr schwer. Erst jetzt wurde mir
deutlich wie sehr ich mich verändert hatte. Ich sah die deutschen Verhältnisse
aus einer ganz anderen Sichtweise. Viele Dinge die ich vorher dachte zu
benötigen, kamen mir im Nachhinein so unnötig und überflüssig vor. Nun, nach
etwa einem Monat, fühle ich mich in dieser Luxuswelt wieder etwas wohler. Uruguay
mit seinen Menschen vermisse ich jedoch immer noch sehr. Für mich steht fest:
Eines Tages werde ich zurückkommen in das Land, das mir so viel gegeben hat.
Hiermit danke ich noch einmal von ganzem Herzen, allen lieben Menschen, die mich während meines Jahres in Uruguay auf so unterschiedlichste Weise unterstützt haben. Ohne euch, wäre mir diese tolle Erfahrung verwehrt geblieben. Danke, danke, danke!
Eure Minousch.
Ein richtig schöner Abschluss-Post! Oder sollte ich vielleicht viel mehr sagen, dass es ein Anfang ist?
AntwortenLöschenIch konnte zwar immer ein wenig mitverfolgen, wie es dir ergangen ist, aber so eine kleine Zusammenfassung liest sich dennoch schön.